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Zusammenfassung
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Zusammenfassung des Referats von Béatrice Ziegler
Bildung: "Selbstverwirklichung" oder "Zurichtung" von Béatrice Ziegler
In ihrem Referat beleuchtet die Privatdozentin Frau Dr. Ziegler, Historikerin, Lehrbeauftragte an der Uni Zürich und Dozentin an der Fachhochschule Aargau, Departement Pädagogik, die letzten vierzig Jahre Geschlechtergeschichte im Bildungsbereich. Ohne Zweifel haben die Frauen in dieser Zeit eines eigentlichen Bildungsbooms ebenfalls vermehrt an Ausbildung und Bildung teilgenommen und damit "ihre gesellschaftliche Stellung verändert, die Vorstellung über Geschlechter umgemodelt". Frau Ziegler geht deshalb in ihrem Referat für die Frauen der Frage nach: "Hat das Streben nach gesteigerter Ausbildung sich als Schlüssel zu gesellschaftlicher Gleichstellung erwiesen und hat dies auch zur Erweiterung gesellschaftlicher Handlungsspielräume und damit breiterer Wahrnehmung individueller Lebensgestaltung geführt?" Oder noch anders gefragt, haben die Frauen Selbstverwirklichung im Sinne von vertiefter Bildung ihrer selbst erreicht?
Hier nun geht Frau Ziegler auf den vermeintlichen Gegensatz zwischen "Selbstverwirklichung" und "Zurichtung" aus dem Titel des Referats ein. Frau Ziegler diskutiert und kritisiert die Polarisierung von Bildung/Selbstverwirklichung und Ausbildung und kommt abschliessend zum Schluss, dass nur ein Zusammendenken der beiden Dimensionen Bildung/Ausbildung eine sinnvolle Grundlage für den politischen Einsatz in der Bildungsdiskussion sein kann. Frau Ziegler zeigt mit dem geschlechterge- schichtlichen Blick auf, wie sich die bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert, an deren Entstehung "gebildete" Frauen beteiligt waren, darstellt. Da die Frauen damals ökonomisch nicht selbständig waren, wurden sie aus der wirtschaftlichen, öffentlichen und politischen Sphäre verbannt. Die Frauen sollten dann - zumal vor dem Hintergrund der bürgerlichen Geschlechterordnung - mittels Ausbildung lediglich begreifen, welches ihre gesellschaftliche Rolle und ihre gesellschaftlichen Aufgaben seien. Das Ausfüllen ihrer Rollen im Haushalt und insbesondere in der Kindererziehung machten es dann aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts erforderlich, dass auch Frauen eine Ausbildung erhielten. Es waren Lehrerinnen, Pfarr- frauen, sozial tätige Bürgerinnen, die dafür einstanden, dass auch weibliche Tätigkeit gesellschaftlich wichtige und deshalb aufgrund von Ausbildung zu leistende Tätigkeit sei. Selbstverwirklichung ist damit "nicht zweckfrei, sondern wird im Wechselspiel mit gesellschaftlicher Anerkennung erreicht" und "verlangt in diesem Sinne immer auch ein gewisses Mass an Zurichtung", wie Frau Ziegler ausführt. Dass Frauen in den Anfängen der Sozialstaaten am Beginn des 20. Jahrhunderts Verantwortung übernehmen, war von Männern gewünscht, aber "nur das kämpferische Beharren der Frauenbewegung auf Ausbildungs- möglichkeiten und Mitsprachrechten hat dazu geführt, dass Frauen ... Verantwortung übertragen wurde und dass sie für ihre Arbeit mit der Zeit auch öffentliche Anerkennung, ja sogar Entlöhnung erhielten." Die Frauen bei ihrem Kampf bestanden vorerst nicht auf Gleichheit, aber auf Gleichwertigkeit. Das änderte sich in den Siebzigerjahren, wo die Frauen anfingen, den sich vergrössernden Sozialstaat durch zusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten mitzutragen. Daraus leiteten dann Frauenorganisationen den Zusammenhang zwischen Arbeitsleistungen und Rechtsansprüchen ab. Damit kommt Frau Ziegler auf die am Anfang ge- stellte Frage zurück. "Hat Ausbildung nur die veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation zu kompensieren gesucht oder den Schlüssel zu gesellschaftlicher Gleichstellung und zur Erweiterung gesell- schaftlicher Handlungsspielräume dargestellt?" Frau Ziegler kommt zum Schluss, "dass ein Streben nach 'Selbstverwirklichung' über Bildung nur dann erfolgreich sein kann, wenn diese 'Selbstverwirklichung' in realistischem Einbezug von notwendiger Zurichtung definiert wird." Ferner braucht es eine starke poli- tische Aktivität, um die 'Selbstverwirklichung' als Ziel von Bildung in der politischen Agenda präsent zu halten.
Die Bildungsoffensive der Siebzigerjahre hat jedoch in Verbindung mit der politischen Kraft der Frauenbewegung den Frauen eine massive Erweiterung der Handelsspielräume gebracht, findet die Referentin. Mit dem folgenden Aufruf schliesst Frau Ziegler ihr Referat: "Was wir heute brauchen, ist ein Wiedererstarken des politischen Bewusstseins, eine erneute Politisierung gesellschaft- licher Probleme, darunter der Gleichheitsfrage, aber auch des Problems, dass sich trotz mehr Gleichheit einer Minderheit von Männern und Frauen die gesellschaftlichen Unterschiede bei Weitem nicht verringert haben."
mk/25.06.2003
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